Ehrengast: Steve Macdonald

Foto: Wolfgang Weisselberg

Man könnte ihn sich mit einer Laute vorstellen. Einer verdammt lauten 12-saitigen Laute.

Da steht er im Innenhof. Vor ihm erheben sich spitzbogige, rosafarbene Sandsteinmauern und um ihn herum recken sich Türmchen in den Himmel. Wimpel und Fahnen wehen von Türmen und Fenstern.

Es ist ein Festtag.

Eben noch wuselten alle durch den Hof, schoben Karren über das Kopfsteinpflaster, führten Pferde zu den Ställen, stapelten Lebensmittel auf groben Holztischen, schmückten Eingänge mit Girlanden aus Frühlingsblumen. Es gibt so viel zu tun.

Aber das Leben hat aufgehört. Sie hören zu. Der Pferdepfleger hält die Pferde am Zaumzeug. Eben noch versuchten die Pferde zu flüchten, jetzt stehen sie regungslos. Ein Koch hat sich vom Topf abgewandt. Die Arbeiter haben aufgehört zu arbeiten. Eine ganze Gruppe hübscher, junger Dienstmädchen starrt ihn verliebt an. Heute werden Herzen gebrochen.

Er singt und die Zeit steht still. Seine Tenorstimme dröhnt über den Hof, hallt von den Schlossmauern wider, klingt laut und deutlich, erreicht das Fenster, an dem seine Geliebte wartet. Erreicht alle Fenster, dringt nach Belieben ein, verzaubert die Zuhörer. Ein Plätschern und ein wehmütiges Seufzen aus dem Burggraben beweist, dass er sogar Herzen erreicht, um die sich andere Spielleute nicht kümmern.

Das Burggrabenmonster ist ein Fan. Es besitzt eine ganze Reihe von Sammlerstücken, silberne magische Scheiben mit Tönen darauf: Gather Day, Crossroads, Playing in Traffic, Reap the Wind, Wanderer, Journey’s Done, Songspinner und das berühmte Book of Songs Crossroads. (Du kannst sie auch bekommen!)

Der Wind weht in seinem Haar, weht die langen, hellbraunen Strähnen umher. Sein Gesicht wirkt fast entschuldigend, als sei ihm der Wirbel, den er macht, ein wenig peinlich. Ich bin’s nur!“, scheint es zu sagen. ‚Ich bin harmlos. Vertraut mir.‘

Er ist kein Krieger, der aus der Schlacht heimkehrt, er hat keinen Drachenkopf als Andenken an den letzten glorreichen Sieg in seiner Tasche. Er ist kein König. Er ist kein Fürst. Er ist kein Ritter.

Ein Lied durchdringt den Äther, Leidenschaft wird in Klang verwandelt.

Seien wir ehrlich: Wer will schon einen Ritter, wenn man einen Barden haben kann?

(von Ju Honisch, 2005)